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44 Strafminuten und fünf Rote Karten

HSG Münzenberg/Gambach dreht hitziges Derby gegen TV Petterweil und gewinnt 26:25 (8:13)

Was war das nur für ein Derby am Samstagabend! Vor 300 Zuschauern in der Münzenberger Sporthalle im Eiloh besiegte die HSG Münzenberg/Gambach in einem denkwürdigen Duell der Wetterauer Landesliga-Teams den TV Petterweil mit 26:25 (8:13): Ein Spiel, das sicherlich auch noch in den kommenden Wochen und Monaten eine Menge Gesprächsstoff liefern wird.

Denn das Zustandekommen des Münzenberger Sieges kann getrost als kurios, ungewöhnlich und sensationell beschrieben werden. Vor allem für den Gast, der über weite Strecken das Spiel bestimmte und spielstärker als der Gegner erschien, war es bitter, auf eine solche Art und Weise zu verlieren.

Fast zwei Stunden dauerte ein Spiel, das zum Teil mit überharten Mitteln geführt wurde und das mit 44 (!) Strafminuten rekordverdächtige Züge annahm. »Es war wirklich Wahnsinn, was hier los war. So etwas habe ich auch nicht erlebt«, sagte Münzenbergs Mannschaftsbetreuer Tim Grossmann. Sportlich war seine HSG eigentlich zwischenzeitlich schon am Ende.
Petterweil stellte eine sehr gute und kompakte 6:0-Deckung, die für die Münzenberger Angreifer vor allem im ersten Abschnitt eine unüberwindbare Hürde darstellte. Nachdem Sebastian Hitzel in der dritten Minute das 3:1 für die HSG erzielte, schafften die Petterweiler - die in Mittelspieler Martin Peschke einen starken Antreiber in ihren Reihen hatten - eine 6:4-Führung. Schon zu diesem Zeitpunkt deuteten die Schiedsrichter an, dass sie in dieser Partie nicht ganz auf Höhe des Geschehens sind. Auf beiden Seiten wurden Zeitstrafen gegeben, die nach dem Reglement keine waren und durch eine seltsame Regelauslegung zudem unnötig Hektik und Härte ins Derby brachten:
Zunächst ließen sich die von gut 100 Zuschauern unterstützten Gäste nicht davon beeindrucken. Peschke schaffte per Siebenmeter in der 24. Minute das 11:7 - Münzenberg war zu diesem Zeitpunkt zu passiv und nachlässig in der Abwehr und im Angriff. Pierre Lange schaffte dann sogar das 13:8 mit einem Dreher von Linksaußen mit dem Halbzeitpfiff.

»In der Pause wurde es bei uns in der Kabine etwas lauter. Wir haben deutlich die Fehler angesprochen, und Thomas Zeitz hat jeden aufgefordert mehr zu tun. Uns war klar, dass wir 80 Prozent mehr Leistung abrufen müssen, um hier zu bestehen«, sagte Grossmann. Doch zunächst war es wieder der TVP, der durch den starken Ex-Münzenberger Oliver Jung in der 35. Minute mit 16:10 in Führung ging. Klar, dass jetzt kaum noch jemand in der vollen Halle einen Pfifferling auf die Gastgeber setzte. Doch mit Härte, Glück und Geschick schafften es die Gastgeber, zurück ins Spiel zu finden. Das Spiel wurde nun ruppig und teilweise überhart. Gerade die Münzenberger hatten Verluste zu beklagen. Kai-Uwe Ratz musste nämlich in der 38. Minute nach einem Griff in den Wurfarm des Gegners mit der Roten Karte vom Feld. Und Tobias Zeiß - der eine herausragende Partie spielte und neun Treffer beisteuerte - war ebenso wie Florian Großmann mit zwei Zwei-Minuten-Strafe, deren Berechtigung angezweifelt werden darf, für das Abwehrspiel aufgrund der Rotgefahr unbrauchbar geworden.

Nachdem Zeiß in Unterzahl zum 13:18 einwarf und auch Florian Großmann immer stärker ins Spiel kam, entschied Petterweils Trainer Detlef Ernst, Großmann in Manndeckung zu nehmen. Doch diese taktisch gute Idee wurde von seinem Team nur unzureichend umgesetzt. Großmann spielte - in einer Partie, die aufgrund der immensen Zahl an Zeitstrafen immer mehr zum Glücksspiel verkommen war - immer wieder seine Nebenleute schön frei. So wie in der 41. Minute, als Großmann gleich zwei Spieler auf sich zog und den Ball für Zeiß derart gut servierte, dass dieser aus halbrechter Position das Leder unter die Latte knallte. Großmann selbst traf dann in der 44. Minute nach einer guten Eins-gegen Eins-Situation zum 17:21 und ließ die Dezibelzahl in der Halle in die Höhe schnellen.
Zeiß und wiederum Großmann per Siebenmeter brachten die Münzenberger Kämpfer wieder auf 19:21 heran. Petterweil zeigte nun Nerven und verlor gleich zwei Spieler kurz hintereinander wegen der dritten Zeitstrafe (48./Alexander Kunkel und 51./Thorsten Koch). In Überzahl gelang Zeiß dann auch das 22:22, ehe Münzenbergs Spielertrainer zum 24:23 einnetzte und somit einen ganz wichtigen Treffer beisteuerte. Die Atmosphäre in der Halle war nun aufgeheizt und geladen - von der Lautstärke gefühlt kaum mehr zu unterscheiden von einem Start eines Düsenjets.
Dem umtriebigen Peschke gelang dann im direkten Gegenzug der Ausgleich zum 25:25 (58.).Münzenberg schaffte es dann entscheidend nachzulegen! Ein Wurf von Zeiß wurde abgeblockt – Steffen Schubert bekam den Ball zu fassen und setzte vom Kreis aus zum Sprungwurf an. Sein Treffer 45 Sekunden vor dem Ende sollte der goldene in einem unglaublichen Spiel sein. Petterweil versuchte natürlich noch einmal alles und die HSG nutzte nun jedes Mittel, um beide Punkte in der eigenen Halle zu behalten. Björn Mathes etwa hielt acht Sekunden vor dem Ende den Ball so lange fest, bis Lange ihn zu Boden schubste. Beide mussten das Feld verlassen! Den anschließenden Freiwurf parierte dann Jens Langsdorf mit einer sehenswerten Fußparade nachdem die Kugel in der Mauer noch abgefälscht wurde. Münzenberg/Gambach gelang es also ein längst schon verloren geglaubtes Spiel für sich zu entscheiden.

HSG Münzenberg/Gambach: Langsdorf; Eckhard; Ratz (1), Brückel, Kneissl, Hitzel (1), Florian Großmann (8/1), Zeiß (9), Tim Langsdorf, Boller (1), Mathes, Schubert (3), Mandler (1), Zeitz (3).

TV Petterweil: Hägele, Petrillo; Peschke (8/3), Schneider (1), Führ, Ruppert, Alexander Koch (4), Thorsten Koch, Kunkel (2), Jung (4), Lange (5), Rautschka (1)

Im Stenogramm
Schiedsrichter: Pfeifer/Krüger (TuS Kriftel).-
Zuschauer:300.-
Zeitstrafen: 24:20 Minuten.-
Rote Karten: Ratz (38.), Mathes (60.) – beide Münzenberg;
Kunkel (48.), Thorsten Koch (51.), Lange (60.) – Petterweil.
Siebenmeter: 2/1:3/3.


Wetterauer Zeitung vom Montag, 22. Dezember 2008

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